Radfahren darf keine Mutprobe sein!

Ein Beitrag von Roswitha Keil, Kreisvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs ADFC
Dass der Verkehr einen großen Anteil am klimaschädlichen CO2-Ausstoß und damit an der Erderwärmung hat, kann keiner mehr bezweifeln. In 70 deutschen Städten ist die Luft bereits so schlecht, dass die Gesundheit der Bewohner*innen beeinträchtigt ist. Dass der Verkehr aber durchaus auch in der Lage ist, einen Beitrag zu weniger CO2-Ausstoß zu leisten, wurde im vergangenen Jahr signifikant bewiesen: Es waren viel weniger Menschen unterwegs, Homeoffice und Online-Konferenzen machten Fahrtwege überflüssig.

Roswitha Keil, Kreisvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs ADFC

Die wichtige Erkenntnis ist: Die Wahl des Verkehrsmittels lässt sich beeinflussen! Wenn der Anreiz stimmt, steigen die Leute um. Corona hat einen Anreiz geliefert: Es gab einen Fahrradboom, auch in Landshut. Viele Menschen haben viele Wege mit den Rad erledigt und das Fahrrad hat sich in der Pandemie zum Verkehrsmittel der Wahl entwickelt. Die tägliche Fitnessrunde mit minimalem Ansteckungsrisiko und natürlichen Abstand!

In Landshut werden die Anreize für den Umstieg auf das Fahrrad hingegen nicht sehr offensiv gesetzt. Viele fühlen sich auf dem Fahrrad unsicher und der Komfort beim Radfahren wird nicht als reales Ziel verfolgt. Während der eine in sein Auto direkt vor der Haustür steigt, ein paar Straßen weiter fährt und lässig auf dem Gehsteig vor dem Metzger parkt, muss die andere ihr Fahrrad aus dem Keller holen, es über den Randstein heben, und vor dem Metzgerladen – oft vergeblich – nach einer Möglichkeit suchen, ihr Fahrrad sicher anzuschließen.

Merken Sie was? Die Verkehrsmittelwahl lässt sich ganz direkt durch eine gute Verkehrsinfrastruktur für den Radverkehr beeinflussen.

Am letzten Dienstag wurde der neuste „Fahrradklimatest“ des ADFC vorgestellt, den Zufriedenheits-Index der Radfahrenden in Deutschland. Frustrierend: Landshut ist bei den Städten zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern am stärksten und auffälligsten abgefallen. Wegebeschaffenheit, Durchgängigkeit der Routen, Diebstahlhotspot, Konflikte der Verkehrsarten, Umgang mit geöffneten Einbahnstraßen, diese Punkte erhielten alle eine Note schlechter als 4.

Radfahren darf keine Mutprobe sein! Wir brauchen sichere Kreuzungen mit intelligenten Ampellösungen, Abbiegeassistenten für LKWs und durchgängige, ausreichend dimensionierte Radnetze.

Dass die Teilnehmenden am Fahrradklimatest nicht einfach nur notorische Nörgler*innen sind, kann man daran sehen, dass sich die Bewertung der Fahrradabstellanlagen leicht verbessert hat. Dies lässt darauf schließen, dass die Menschen den sukzessiven Austausch der alten Felgenkiller durch den L15 mit Anschlussmöglichkeit beobachten und dies honoriert haben. Der Oberbürgermeister meinte, „es seien ja nur 175 Menschen gewesen“. Aber genau diese Menschen sind engagierte Menschen und sie weisen darauf hin, dass urbane Mobilität der Zukunft Aufenthaltsqualität braucht und die spielt sich nicht im Auto ab. Wir brauchen eine Infrastruktur, die jung und alt einlädt, das Fahrrad zu benutzen. Infrastruktur die da ist, wird auch benutzt. Wer Radnetze sät, wird Radverkehr ernten!

Die Förderung des Radverkehrs ist zudem das beste Anti-Stau-Instrument, denn jede Verkehrsmittelwahl für das Fahrrad schafft Platz auf den Straßen. Bei der Umsetzung werden Verkehrsflächen frei, die neue Gestaltungsmöglichkeiten bieten.

Die Verkehrswende braucht das Fahrrad. Gesetzt wird aber vorrangig auf E-Mobilität. Selbst, wenn es sozial faire und ökologisch vertretbare E-Antriebe gäbe, sie wirken sich nicht auf die Gestaltung und Aufenthaltsqualität unserer Städte und des öffentlichen Raums aus. Grundsätzlich gilt: Eine Antriebswende ist keine Verkehrswende!

Ein weiterer Baustein der Verkehrswende ist der ÖPNV. Manchmal leisten wir uns gern den Luxus, die „Großraumlimousine mit Chauffeur“ zu nutzen. Doch auf die Bus-Limousine möchten wir nicht eine Stunde warten und auch nicht einen halben Tag freihalten für einen Einkauf oder Behördengang, der in einer halben Stunde erledigt wäre. Aber leider geht der nächste Bus zurück erst am Nachmittag – und das Bürgerbegehren „Busse Baby“ hüllt sich derzeit in großes Schweigen.

Wir brauchen den politischen Willen, in Landshut die Verkehrswende anzugehen. Die Verwaltung macht gute Vorschläge – wie z.B. beim Balsgässchen. Es wurde vor Jahrzehnten gesperrt, da die Feinstaub- und Lärmbelastung durch die Enge und die hohen Mauern zu hoch war. Aber leider hielten sich die Autofahrer*innen nicht an das Verbot – ohne dass dies spürbar geahndet wurde. Nun gab es einen neuen guten Lösungsvorschlag von der Verwaltung und er wird abgelehnt. Sie sieht der politische Wille in Landshut offensichtlich aus. Radverkehr und ÖPNV werden so nicht voran gebracht.

Aber wir geben nicht auf. Wir erinnern wieder und wieder daran – wie Sonntags in der Kirche: Denn das Wiederholen von Erkenntnissen ist wichtig, damit sie nicht vergessen werden, denn sie gelten noch. Erinnern wir uns als Gemeinschaft, als Bündnis.

Zusammen geht was! Als nächstes: Klimaplan unterschreiben!

Der Fahrradklimatest

Der Fahrradklimatest ist eine seit 1988 entwickelte und seit 1998 durch den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) mit Hilfe von Kooperationspartnern in Abständen von in der Regel zwei Jahren durchgeführte große, nicht repräsentative Umfrage mit dem Ziel, das „Fahrradklima“, also die Fahrradfreundlichkeit von deutschen Städten und Gemeinden zu messen, sie nach diesem Kriterium zu klassifizieren und Veränderungen im Zeitverlauf festzustellen. Beim letzten Fahrradklima-Test beteiligten sich daran 2018 über 170.000 Menschen.

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