Höhere Wertschätzung für Landwirtschaft – aber bitte mit korrekten Argumenten!

Ein Beitrag von Sabrina Grüner und Annette Theißen

Beim Spazierengehen stieß ich nördlich von Ergolding auf ein Schild, das am Rand eines Maisfeldes aufgestellt war. Die Botschaft “1 Hektar Silomais bindet ca. 14t CO₂ und setzt ca. 9t Sauerstoff frei”. 

Solche und ähnliche Tafeln findet man an einigen Stellen im Landkreis

Ich wollte wissen, was hinter der Campagne steckt und wurde auf der Webseite https://www.co2-acker.de/ fündig. Ziel sind “Aufklärung und Information, um der Öffentlichkeit bewusst zu machen, welchen gesellschaftlichen Wert landwirtschaftliche Nutzflächen zusätzlich zur Nahrungsmittelproduktion haben.” Man möchte so “Gemeinsam mit schlagkräftigen Argumenten für eine höhere Wertschätzung der Landwirtschaft sorgen.”

Wertschätzung für die Landwirtschaft ist sicherlich notwendig. Wir müssen alle verstehen, welchen Einfluss sie auf die Klimakrise hat und wie sie helfen kann und sich weiterentwickeln muss um mit dem Wandel umzugehen. 

Soweit so gut – die Argumente selbst hinken jedoch. Man vergleiche einfach mal mit der Berechnung für den Wald. “1 Hektar Wald bindet ca. 6t CO₂ und setzt ca. 4t Sauerstoff frei”.

Ganz naiv müsste man nun ja folgern, dass Maisanbau fast doppelt so toll ist wie Wald. Lasst uns den Amazonas abholzen und lieber Mais anbauen, Moment, das kann ja nicht sein … es fehlt mindestens einmal eine Aussage darüber, wie lange das CO₂ gebunden bleibt – was bei Mais ja max. ein Jahr sein wird, beim Verbauen von Holz hoffentlich viel länger. 

Glücklicherweise bekam ich auf meine Frage, wo mein Denkfehler liegt, zwei kompetente Antworten mit weiteren Argumenten, die Sabrina und Kathy direkt in Leserbriefe an die Landshuter Zeitung verpackt haben – denn dort war am 24.6. leider sehr einseitig und unreflektiert über die Aktion berichtet worden. 


Nur langfristige Speicherung von CO₂ dient dem Klimaschutz

Ackerbau für den Klimaschutz? Da wird aus mangelndem Wissen über die Ursache der Klimaerhitzung der Bock zum Gärtner gemacht!

Jetzt mal schön der Reihe nach, damit jede(r) den Unterschied zwischen CO₂-Kreislauf und CO₂-Speicherung erkennen kann. Denn nur die langfristige Speicherung von CO₂ ist Klimaschutz.

Grüne Pflanzen haben die Fähigkeit, mit der Energie der Sonne aus Kohlendioxid (CO₂) und Wasser Zucker herzustellen (=Fotosynthese). Den dabei entstehenden Sauerstoff nutzen die Pflanzen teilweise für ihren Stoffwechsel (Umwandlung in andere Pflanzenstoffe), teilweise geben sie ihn über die Blätter an die Luft ab. Erst durch die Fotosynthese reicherte sich vor ca. 600 Millionen Jahren Sauerstoff in der Erdatmosphäre an. Für die Lebewesen jener Zeit war Sauerstoff ein tödliches Gift. Sie starben aus, wenn es ihnen nicht gelang, sich in Bereiche zurückziehen, in denen es keinen Sauerstoff gibt. Unter der neuen, sauerstoffhaltigen Atmosphäre entwickelten sich Lebewesen, die den Sauerstoff nutzen konnten. Ihre Nahrung – durch Fotosynthese in grünen Pflanzen aufgebaut – wird unter Verbrauch von Sauerstoff wieder in CO₂ und Wasser abgebaut, die freiwerdende Energie für das Wachstum, die Bewegung und für alle sonstigen Stoffwechselprozesse eingesetzt. So entsteht ein CO₂-Kreislauf zwischen fotosynthetisierenden Pflanzen und tierischen Lebewesen, die sich von ihnen ernähren.
Während Hunderttausenden von Jahren enthielt unsere Atmosphäre mit geringen Schwankungen ca. 0,03% Kohlendioxid und ca. 21% Sauerstoff. Erst seit dem durch die Industrialisierung eingesetzten Abbrand von jährlich zig Milliarden Tonnen Gas, Öl und Kohle (ursprünglich entstanden durch Umwandlung versunkener Pflanzenmasse) ist der CO₂-Kreislauf aus den Fugen geraten. Diese Zunahme an CO₂ in der Atmosphäre ist die primäre Ursache für die gegenwärtige Klimakrise.

Nun also zum CO₂-Speicher: Um das täglich in großen Mengen durch Verbrennung erzeugte CO₂ der Atmosphäre wieder zu entziehen, muss CO₂ langfristig gespeichert werden. Da kann ein gesunder Wald, dessen Holz zum Bauen oder für Möbel verwendet wird, gute Dienste leisten. Auch Moore können große Mengen an CO₂ speichern, weil die Wurzelmasse der ständig wachsenden Moose nicht verrottet. Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen kann CO₂ ausschließlich durch gezielten Humusaufbau gespeichert werden. Auf Äckern, die durch Dünger und Pestizide auf Höchsterträge getrimmt werden, findet keine CO₂-Speicherung statt. Das auf dem Acker wachsende Produkt, sei es nun Weizen oder Mais, nimmt zwar über die Fotosynthese CO₂ auf, dient aber nicht der CO₂ -Minderung in der Atmosphäre, weil es als Teil des natürlichen CO₂ -Kreislaufs über die Ernährung von Mensch und Tier – heute wie seit Hunderttausenden von Jahren – wieder an die Atmosphäre abgegeben wird. 

Dipl.-Chem. Katharina Mühlebach-Sturm


Daten falsch zu interpretieren hilft dem Klimawandel auch nicht

In dem Artikel “Ein Hektar Weizen bindet neun Tonnen CO₂” von den HeimatLandwirten soll der gesellschaftliche Nutzen und der Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz dargestellt werden. Ja, die Landwirtschaft kann ihren Beitrag leisten und ja, ich finde auch, dass Landwirte in der öffentlichen Meinung manchmal übertrieben hart angegriffen werden. Aber bitte nutzen Sie nicht falsche Argumente um die Landwirte zu rehabilitieren, das nutzt weder Ihnen noch dem Klimaschutz. Kulturpflanzen wie Mais oder Weizen binden Kohlenstoff beim Wachstum. Um jedoch als Kohlenstoffspeicher zu gelten und damit einen positiven Einfluss auf die Kohlenstoffbilanz zu haben muss das CO₂ mindestens 1000 Jahre gebunden werden. Sonst haben wir in Kürze wieder dasselbe Problem.

Da Weizen und Mais zum Verzehr angebaut werden, ist eine langfristige Speicherung damit nicht möglich. Richtig ist, dass die Landwirte CO₂-neutral operieren, aber nur wenn man die Emissionen vom Diesel sowie Lachgasemissionen aus der Düngemittelproduktion und Methanemissionen in der Rinderhaltung negiert. Aber eindeutig ist der Kohlenstoff, der in einem Hektar Mais gespeichert wird kein Beitrag zur Klimawende. Wenn der Mais auch noch als Silomais den Rindern gefüttert wird, wandeln diese ihn in ihrem Verdauungstrakt in Methan um, das eine 24 mal schlimmere Wirkung auf die Erderwärmung hat als CO₂ (auch wenn diese Wirkung nur circa 14 Jahre anhält).

Bitte vermischen Sie nicht die Tatsachen, nutzen Sie korrekte Fakten um eine ehrliche und partnerschaftliche Diskussion zwischen Naturschutz und Landwirtschaft zu erreichen. Wir haben alle das selbe Ziel, wir wollen überleben, wir wollen ein gutes Leben. Wenn wir dieses Ziel gemeinsam angehen, anstatt uns gegenseitig Lügen zu erzählen und zu bekämpfen, dann schaffen wir das auch! 

Sabrina Grüner, Umweltingenieurin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert