Containern in Zeiten von Corona
Autorin: Die Lachsfischerin
Es ist ein Feiertag, früher Abend. Langsam wird es dunkel draußen. Meine Mitbewohnerin und ich sammeln alle Tüten und Taschen ein, die wir in der Wohnung finden können. Aus dem Keller holen wir die Kisten und Pappkartons, die wir gesammelt haben. Noch einmal checken, ob wir alles haben: Handy lautlos, Schlüssel, Taschenlampe.
Man hat Routine und dennoch schrecke ich jedes mal hoch, wenn jemand vorbei geht. Abends ist es was anderes als um Mitternacht – auch mit Corona. Die Laternen auf dem Parkplatz sind noch an, ein Bus hält, die Menschen steigen aus, laufen in unsere Richtung. Taschenlampe aus, ducken. Wir werden gesehen, aber so richtig interessiert es niemanden. Wir stehlen halt Müll. Was soll man da dagegen haben?
Wir fischen Lachs aus dem Mülleimer. Eine Packung, zwei, am Ende sind es 41 Packungen, alle bedruckt mit Weihnachtsmotiven. Kann man die nicht mehr Essen nach Weihnachten, fragen wir uns nicht zum ersten Mal. Eine Woche später finden wir Spekulatius-Joghurt. Den kann man nach Weihnachten natürlich auch nicht mehr essen. Später finden wir raus, dass der Lachs pro Packung fast 5 Euro kostet. Knapp 200 Euro nur für den Lachs. Bescheuert finden wir und denken an überfischte Weltmeere…
Foodporn der etwas anderen Art
Nach drei Jahren containern hat man Routine, hat schon unzähligen Menschen gezeigt wie und wo man in Landshut am einfachsten an weggeworfene Lebensmittel kommt. Man weiß, wo es sich lohnt und wo man vor Garagentoren steht, die man nicht aufbekommt, ohne, dass man sie beschädigen müsste, was wir nicht wollen und nicht machen.
Zuhause sortieren wir das Essen auf unserem Tisch. Der ist groß und am Ende völlig überladen. Ein Foto für Instagram – Foodporn der etwas anderen Art. Und dann die Frage: Wohin damit? Wir beladen unseren zweiten Kühlschrank, aber der ist zu klein. Wir stellen es ins Bad und kippen das Fenster. Kurz darauf klingelt es. „Hallo Nachbarinnen, ich hab gehört ihr habt wieder Essen geholt? Oh Sahnepudding? Das ist ja toll! Und den Wirsing, den koch ich mir vor und friere ihn ein!“. Noch ein paar Nachbar*innen kommen vorbei, staunen, schütteln den Kopf. Unmöglich – finden sie – und ein Segen. Es klingelt schon wieder! “Essen? Ja kommt rein, Maske auf bitte. Ja nehmt alles mit! Ach die Tafeln haben zu? Ja, sagt den Leuten von der Tafel, dass wir was haben!“
Bei E-Bay verschenkt jemand einen Kühlschrank. Der Nachbar mit dem Wirsing hilft uns, denn er hat ein großes Auto. Jetzt haben wir drei Kühlschränke und ein Gefrierfach. Das sollte reichen – denken wir. Falsch gedacht. Bei nächsten Streifzug reichen die Kühlschränke wieder nicht.
Wir beraten uns. Wollen wir regelmäßig containern gehen und die Foodsharing Abgabestelle in unserem Keller wieder beleben? Wir könnten auch das Büchertauschregal dazu stellen, dass früher draußen stand und beim Sturm umgefallen ist. Und ein schwarzes Brett aufhängen!
Wir fragen die Nachbar*innen, ob das okay ist. Alle sagen ja, freuen sich und zwei fragen, ob sie mal mitkommen können auf einen Streifzug. Na klar sagen wir und freuen uns auch. Wir starten die öffentliche Telegramgruppe „foodsharing Landshut“ und bauen den Keller um. Wir haben noch einen vierten Kühlschrank und jemand tauscht auf E-Bay ein Schwerlastregal, gegen Katzenfutter für den Tierschutz. Schön schaut sie aus, unsere Abgabestelle! Noch ein Video für Instagram.
Und abends, als es dunkel wird sammeln wir wieder unsere Taschen und Kartons zusammen und begeben uns auf einen Streifzug durch die Mülleimer der Stadt.